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Ein Werbeprospekt des rororo-Verlages für den Herbst 2004 als Beilage für den „Buchmarkt“ verkündet uns „DIE MUST-HAVES DIESER BUCHSAISON“. Ja, die Anglizismen scheinen nun auch zu den Must-Haves des rororo-Verlages zu gehören. Statt diesem Ruf zu folgen, fragen wir uns, was das soll. Offensichtlich verspricht sich der Verlag eine zielgruppenorientierte Verkaufsförderung. Wird Deutsch zu einem hausbackenen Schwersprech, mit dem sich nichts mehr anpreisen lässt? So scheinen die englischsprachigen Versatzstücke – von denen sich im Inneren des Prospektes weitere finden: Key-Books, Fashion Awards – die sprachlichen sozialen Abgrenzungsattribute einer Generation zu sein, die sich als fortschrittlich und modisch präsentiert (oder vielleicht eher: präsentiert wird). Wobei die Frage ist, ob die Generation sich diese Attribute wählt, oder ob es die Folge einer langfristigen Werbekampagne ist.

Nun scheint aber, dass der Verlag den potentiellen Lesern nicht allzu viel Englischkenntnisse zutraut, denn im Inneren finden sich gute deutsche Werbetexte, durchsetzt mit einigen gut eingeführten Fremdwörtern. Versatzstücke eben nur, die die Illusion von Bildung und Welterfahrenheit vermitteln sollen.

Doch nörgeln wir noch etwas am Text herum: „Haves“ gibt es im Englischen nicht. Hier wurde das Verb „to have“ substantiviert und mit einem Plural-S versehen. „The Must“ gibt es in der Tat im Englischen und bedeutet auch tatsächlich „das Muss“. Somit hieße das korrekt konstruierte englische Kompositum „Have-Musts“, korrekt – aber leider ein Pleonasmus wie die berühmten weißen Schimmel.
Also wirbt man munter jenseits der Grammatik. Dann hat dieses Wort-Ding auf der Schwelle zur Fortschrittlichkeit noch einen verbindenden Strich, der überlicherweise die Verbindung oder etwas Gemeinsames in der Sache aussagen soll. Bindestriche sind in der Tat bei zusammengesetzten Wörtern üblich, nicht erlaubt sind sie jedoch bei der Verbindung von Modalverb und Verb. Also das „Lesenmüssen“ wäre mit Bindestrich falsch. Der verbindende Strich ist also völlig unpassend und deutet eher darauf hin, dass der Verlag glaubte, nur durch diese Betonung den Anglismus wirken lassen zu können (also gewissermaßen MUST-HAVES als Symbolol oder Metapher für „must have“. Oder der Verlag hat gar nichts geglaubt, aber das wollen wir doch nicht glauben.
Jedenfalls gehört dies zu den Don’t-Must-Haves der Saison.